- Klimaschutz: Eine globale Aufgabe
- Klimaschutz: Eine globale AufgabeDer Mensch hat bereits so stark in das weltweite Klimageschehen eingegriffen, dass eine Rückkehr zum vorindustriellen Zustand nicht mehr möglich ist. Es kann jetzt nur noch darum gehen, den Schaden des Klimaexperiments zu begrenzen. Aber auch dafür ist rasches Handeln nötig. Denn selbst wenn es gelingt, die Emission von Kohlendioxid, dem schlimmsten Treibhausgas, auf heutigem Niveau zu stabilisieren, würde die CO2-Konzentration in der Atmosphäre noch länger als hundert Jahre ansteigen. Im Jahr 2050 hätte sie sich gegenüber der vorindustriellen Zeit bereits verdoppelt, und erst im 21. Jahrhundert würde sich ein neues Gleichgewicht einpendeln. Um die Gefahr zu bannen, das heißt den Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre auf heutigem Niveau zu stabilisieren, müssten die CO2-Emissionen um mehr als die Hälfte reduziert werden. Auch bei den übrigen Treibhausgasen wäre es unumgänglich, den Rotstift kräftig anzusetzen. Eine Utopie, denn derzeit steigen die Emissionsraten noch immer an, und ein Umschwung zeichnet sich nicht ab.Solarzellen und Windräder statt Kohle und ÖlUm den Ausstoß an Kohlendioxid herunterzufahren, muss die Weltgemeinschaft vor allem beim Umgang mit Energie umdenken. Statt Erdöl, Erdgas und Kohle zu verfeuern gilt es, regenerative Energiequellen zu erschließen. Ansätze dazu gibt es längst. Wasserkraft spielt schon immer eine große Rolle. Erdwärme und Windkraft sind zwar noch vernachlässigbare Energielieferanten, gewinnen jedoch an Bedeutung. Die Armada der Windräder, die Ende 1998 weltweit installiert war, leistet 9600 Megawatt und kann rund 3,5 Millionen Wohnungen mit Strom versorgen. 1998 gingen Anlagen mit einer Kapazität von 2100 Megawatt ans Netz. Auch Solarkollektoren, die mithilfe der Sonneneinstrahlung warmes Wasser produzieren, werden immer beliebter. In Deutschland wächst der Markt jährlich um 25 Prozent.Die Zukunft gehört freilich der Photovoltaik. Solarzellen sind zwar noch relativ teuer, doch mit steigenden Produktionsraten werden die Preise purzeln. Bald könnten sie als billiges Massenprodukt gegen fossile Brennstoffe konkurrieren. Ihr Vorteil: Sie verwandeln Sonnenenergie in Strom, ohne der Umwelt zu schaden. Selbst wenn alle 8 bis 10 Milliarden Menschen, die voraussichtlich in 50 Jahren auf der Welt leben werden, ausschließlich Solarenergie nutzen, kommt das Klima nicht aus dem Tritt. Außerdem gibt es Sonnenenergie im Überfluss: Um den gesamten weltweiten Bedarf zu decken, reichen wenige Promille der Sonnenleistung, die auf die Erde einstrahlt.Sonnenstrom kann man direkt ins Netz speisen oder zum Spalten von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff nutzen. Wasserstoff ist ein potenter Energieträger, der sich sowohl lagern als auch transportieren lässt. Das Gas kann Motoren antreiben, indem es mit Sauerstoff explosiv reagiert. Es vermag aber auch in einer Brennstoffzelle seine chemische Energie in elektrischen Strom umzuwandeln und damit einen Elektromotor zu versorgen. Autohersteller engagieren sich seit Jahren für Brennstoffzellenautos, aus deren Auspuff statt stinkender Abgase nur Wasserdampf quillt. Im März 1999 hat DaimlerChrysler den Prototyp eines solchen Wagens vorgestellt, der eine Spitzengeschwindigkeit von 145 Stundenkilometern erreicht und mit einer Tankfüllung 450 Kilometer weit kommt. Die Serienfertigung des umweltfreundlichen Mercedes-A-Klasse-Wagens soll 2004 anlaufen.Klimaschutz geht alle anWenn die Wende beim Umgang mit der Energie gelingen soll, sind alle gefordert: der Einzelne ebenso wie die Industrie und der Staat. Jeder Bürger kann seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, etwa indem er sein Haus gegen Wärmeverluste isoliert, um den Verbrauch an Heizenergie zu drosseln, Licht nicht unnötig brennen lässt oder herkömmliche Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt. Er sollte auch seinen Computer und Fernseher ausschalten, anstatt die Geräte im Stand-by-Betrieb laufen zu lassen.In deutschen Haushalten und Büros werden nach einer Studie des Umweltministeriums 11 Prozent des elektrischen Stroms mit Standby-Schaltungen verplempert. Auch automatische Heizkörperventile oder sparsame Kühlschränke helfen, dem Treibhauseffekt entgegenzuwirken. Den weitaus größten Beitrag liefert, wer sein Auto stehen lässt und auf öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn umsteigt. Wer ohne Einbußen des gewohnten Lebensstandards zum Klimaschutz beitragen will, ist allerdings auf industrielle Hilfe angewiesen. Sparsame Waschmaschinen oder FCKW-freie Spraydosen kann man nur benutzen, wenn Unternehmen sie entwickeln und auf den Markt bringen. Und erst die rasanten Fortschritte bei der Isolierverglasung machen eine wirksame Wärmedämmung des Eigenheims möglich. Immer mehr Firmen entdecken die Möglichkeiten, die im Ökomarkt stecken. Fertighaushersteller bieten inzwischen sogar Energiesparhäuser zu vertretbaren Preisen an. Vor allem haben die Autobauer den Spritverbrauch ihrer Modelle erheblich gesenkt und den Schadstoffausstoß reduziert. Volkswagen wirbt sogar mit einem Drei-Liter-Auto, einem Lupo 3L mit einem 61 PS starken Dieselmotor und einer Spitzengeschwindigkeit von 165 Stundenkilometern.Die Industrie lässt sich auf den Umweltschutz freilich nur ein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wie im Fall der Ölkrise in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts: Als der Rohölpreis kräftig anzog, war Energiesparen bei den Bürgern plötzlich gefragt. Meist sind es nicht arabische Ölscheichs, die ökologische Weichen stellen, sondern staatliche Vorgaben. Mit Subventionen und Steuerabgaben übt der Staat Druck aus und gibt Richtungen vor. So forciert er seit Jahren mit Steuererleichterungen die Entwicklung schadstoffarmer Motoren oder reduziert mit verbindlichen Grenzwerten den Schadstoffausstoß von Kraftwerken. Das Energieeinspeisungsgesetz von 1991 etwa führte dazu, dass Deutschland heute eine führende Rolle bei der Windenergietechnologie einnimmt.Doch längst nicht alle staatlichen Weichen sind auf Klimaschutz gestellt. Deutschland etwa subventioniert die Kohleproduktion jedes Jahr mit vielen Milliarden Mark, obwohl gerade dieser Brennstoff stark zum Treibhauseffekt beiträgt. Auch ist in den meisten Ländern Flugbenzin von der Steuer befreit, obwohl Düsenjets besonders auf Kurzstrecken extrem viel Kerosin benötigen und damit vergleichsweise viel Kohlendioxid freisetzen.Klimaschutz ist eine globale AufgabeEinzelne Länder können zwar Zeichen setzen, aber sie können die Klimaschraube aus eigener Kraft nicht zurückdrehen. Klimaschutz ist eine globale Aufgabe, denn Luftverschmutzung und Treibhausgase kennen keine Grenzen. Wenn jeder US-Amerikaner Jahr für Jahr 20 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst, 30-mal so viel wie ein Indonesier, bekommt auch der Afrikaner die klimatischen Folgen zu spüren. Und wenn in Brasilien der Regenwald brennt, steigen auch in Deutschland die Temperaturen. Für einen wirksamen Klimaschutz sind internationale Vereinbarungen nötig. Doch 200 Staaten mit ihren unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen gehört zu den schwierigsten diplomatischen Kunststücken. Dass sich die Mühe lohnt, zeigt der Kampf gegen das Ozonloch. Das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht von 1987, das 1990 und 1992 verschärft wurde, untersagt den Industrienationen die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen. Seitdem sind die FCKW-Emissionen um mehr als zwei Drittel gesunken.Wenn es um Treibhausgase geht, fällt es allerdings wesentlich schwerer, das Ruder herumzureißen. Während sich Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die schlimmsten Ozonkiller, relativ leicht durch andere chemische Substanzen ersetzen lassen, rührt man beim Kohlendioxid am Fundament der Industrienationen. Um die CO2-Emissionen zu reduzieren, muss eine ganze Gesellschaft umdenken lernen.Doch ein Anfang ist gemacht. Die weltweite Koordination in Sachen Treibhauseffekt begann 1988, als das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Programme, UNEP) und die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ins Leben riefen. Die überstaatliche Organisation, die alle verfügbaren Informationen über den Klimawandel bündelt, arrivierte rasch zum anerkannten Treibhauswächter. Schon ihr erster Bericht, 1990 herausgegeben, fand ein lautes Medienecho. Er leistete die Vorarbeit für die Klimarahmenkonvention, die 1992 auf dem »Erdgipfel« in Rio von 155 Nationen unterschrieben wurde.Interessengruppen formieren sichDiese Konvention, der erste große Baustein für ein nachhaltiges Wirtschaften, war zwar in ihren Formulierungen äußerst allgemein gehalten, doch sie gab die Richtung vor. Demnach soll die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau stabilisiert werden, das Ökosysteme, Landwirtschaft und Menschen nicht länger bedroht. Die Vertragsstaaten treffen sich seitdem regelmäßig, um die Grundsätze auf eine Weise umzusetzen, die alle akzeptieren können. Dabei formierten sich rasch einzelne Interessengruppen. Nationen etwa mit reichen Lagerstätten an fossilen Brennstoffen bremsen vertragliche Bemühungen stets ab, um ihre Wirtschaft nicht zu gefährden. Zu ihnen zählen vor allem die Erdöl exportierenden Staaten (Organization of Petroleum Exporting Countries, OPEC), aber auch die Länder USA, Russland und China, in denen mehr als die Hälfte der weltweiten Kohlevorräte lagern. Die US-Amerikaner, die bislang nach Belieben Energie verbrauchen und jedes Jahr die gigantische Menge von 4700 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft blasen, fürchten besonders um die Qualität ihres Lebensstandards. Mit dieser Sorge hat der ehemalige Präsident George Bush 1992 in Rio argumentiert und die Klimaschützer damit in die Schranken gewiesen.Der mächtigen Allianz dieser Nationen stehen vor allem die kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States, AOSIS) gegenüber, die eine Überflutung ihrer Territorien befürchten. Ein steigender Meeresspiegel könnte viele der Eilande, die teilweise nur wenige Dezimeter über dem Meer liegen, vernichten. Die AOSIS-Staaten schlugen deshalb 1995 vor, dass die Industrieländer ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren sollten. Rund 20 Länder unterstützten den Vorstoß, darunter auch Bangladesch, das oft von Wirbelstürmen und Überschwemmungen heimgesucht wird, und Ägypten, dessen Nildelta zu versinken droht. Doch die Öl- und Kohlelobby konnte ihre Interessen durchsetzen.Widerstand gegen ökologische Fortschritte leisten auch die Entwicklungsländer, die sich von Klimaschützern nicht ihr wirtschaftliches Wachstum beschneiden lassen wollen. Sie fürchten teure Verpflichtungen, die sie mit ihrer Unterschrift unter ein Abkommen eingehen müssten. Sie wollen nicht unter den vertraglichen Bestimmungen leiden, da sie wegen ihrer ökonomischen Defizite derzeit noch relativ wenig Kohlendioxid in die Atmosphäre emittieren. Ihrer Ansicht nach sollen erst einmal die Hauptverursacher der irdischen Treibhausglocke, die Industrienationen, ihren Schadstoffausstoß herunterfahren. Allerdings tragen auch viele arme Länder zum Treibhauseffekt bei, indem sie beispielsweise ihre Wälder roden.Alle Interessengruppen einigten sich 1997 in Kyoto auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Das Protokoll von Kyoto gilt als Durchbruch, weil es erstmals Nationen zu konkreten Schritten für den Klimaschutz verpflichtet. Die Industrienationen müssen danach bis zum Jahr 2010 ihren Treibhausgasausstoß im Mittel um 5,2 Prozent gegenüber 1990 verringern. Für die Länder der europäischen Union sind es 8 Prozent, für die USA 7 Prozent, für Japan und Kanada 6 Prozent. Entwicklungsländer kommen ohne Reduktionen davon. Zu den indizierten Treibhausgasen zählen neben Kohlendioxid auch Gase wie Methan, Distickstoffoxid, Fluorchlorkohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid, die im Verhältnis zu ihrer Klimawirksamkeit angerechnet werden.Das Protokoll von Kioto sieht auch den Handel mit Emissionsrechten vor, ohne allerdings die Vorgehensweise zu regeln. Die USA könnten beispielsweise, wenn sie ihre zugesicherte Zielvorgabe verfehlen, von den Russen Emissionsrechte kaufen, deren CO2-Emissionen ohnehin seit dem Ende des Kaltes Krieges um 25 Prozent gesunken sind. Außerdem steht es den Ländern frei, sich die Aufforstung von ihren Wäldern als Kohlendioxidreduktion anrechnen zu lassen. Allerdings fehlen auch dafür noch konkrete Regeln. Die Vereinbarung geht zwar nicht weit genug, um das Treibhausproblem zu lösen, aber sie ist ein erster Schritt zum Klimaschutz.Dipl.-Ing. Klaus JacobGrundlegende Informationen finden Sie unter:Klimaänderung: Folgen und AuswirkungenKlimaänderung: Ursachen und PrognosenHerausforderung für die deutsche Wissenschaft. Jahresgutachten 1996, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Berlin u. a. 1996.Houghton, John: Globale Erwärmung. Fakten, Gefahren und Lösungswege.Aus dem Englischen.Berlin u. a. 1997.Klimawende. Schritte gegen den Treibhauseffekt, herausgegeben von Robin Wood. Göttingen 1998.Nisbet, Euan G.: Globale Umweltveränderungen. Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten. Klima, Energie, Politik. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1994.Warnsignal Klima. Wissenschaftliche Fakten. Mehr Klimaschutz — weniger Risiken für die Zukunft, herausgegeben von José L. Lozán u. a. Berlin 1998.
Universal-Lexikon. 2012.